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Vor etwa 600 Jahren hat sich im Alsergrund, folgende Geschichte zugetragen:

Bei der Roßauerlände befand sich damals ein bedeutender Umschlagplatz für Donauschiffe. Dort wurden Schiffe, die aus Deutschland oder Ungarn kamen, be- oder entladen. Viele Handelsleute trafen sich hier, um Geschäfte zu machen. Manchmal wurden sie sich über Preise nicht einig, manchen sagte die Qualität der angebotenen Waren nicht zu – so kam es oft zu Streit zwischen den Händlern.

Die Donauschiffer kümmerten sich nicht um die Streitereien. Zu oft kam es vor, dass die Handelsleute laut und heftig wurden, man hatte sich längst daran gewöhnt. Außerdem konnten die Schiffer in der Zeit, bis sich die Händler einig waren, kleine Pausen einlegen. Es war üblich, dass sie sich dann in kleinen Gruppen an das Ufer setzten und einander erzählten, was sie auf ihren Reisen erlebt oder gehört hatten.

Als wieder einmal ein Grüppchen Männer zusammen saß und während des Erzählens auf die Wellen schaute, rief plötzlich einer von ihnen: "Schaut, auf der Donau schwimmt ein Kreuz! Seht es euch an!" Die Männer sprangen auf und liefen näher an das Ufer. Sie konnten kaum glauben, was sie das sahen: ein riesiges, goldverziertes Kreuz wurde von den Wellen getragen. Aber das Besondere daran war, dass es stromaufwärts, also entgegen der Fließrichtung des Wassers schwamm!

Die Männer starrten wie gebannt auf das Kreuz, das sich plötzlich ganz aus dem Wasser erhob und mitten in der Donau hoch aufgerichtet zu sehen war. Die Schiffer liefen aufgeregt zum Handelsplatz, um allen Leuten, die sie dort antrafen von dem sonderbaren Erlebnis zu erzählen. Erst wurden sie ungläubig angeblickt, doch die Leute konnten sich alle von dem Wunder überzeugen. Immer mehr Neugierige kamen um das riesenhafte, wunderschön verzierte Kreuz anzusehen, das unbeweglich in der Mitte des Donaustromes stand. Weder Wind noch Wellen konnten ihm etwas anhaben. Nach einiger Zeit beschlossen ein paar mutige Männer das Kreuz an Land zu holen.

Doch das Kreuz war viel zu schwer, um von einem einzigen Ruderboot und einem dicken Seil an Land gezogen zu werden. So sehr sich die Männer in dem Boot auch anstrengten, das Kreuz bewegte sich nicht von der Stelle. Auch die Hilfe eines zweiten Bootes mit erfahrenen Schiffern vermochte das Kreuz nicht zu bergen.

In der Zwischenzeit waren die Frauen, die am Ufer zuschauten, vor Ehrfurcht auf die Knie gesunken und hatten zu beten begonnen. Immer mehr Wiener wollten dieses Wunderkreuz sehen, die Nachricht darüber hatte sich in der ganzen Stadt rasch verbreitet.

Unter den Zuschauern befand sich auch ein frommer Klosterbruder der Minoriten. Er bat die Schiffer, ihn auf einem Boot zum Kreuz zu bringen. Dort angekommen knüpfte der Bruder den Gürtel seiner Kutte auf und schlang ihn um das Kreuz. Was nun passierte hielt kaum einer für möglich: das Kreuz ließ sich ganz leicht an Land bringen. Alle Menschen, die vom Ufer aus zugesehen hatten, begannen zu beten und zu singen und begleiteten den Mönch mit dem Kreuz in die Stephanskirche. Dort wurde es aufgestellt, damit jeder es sehen konnte.

Am nächsten Morgen war es verschwunden – du kannst dir vorstellen, wie aufgeregt die Wiener darüber waren. Ein 10 Meter hohes Kreuz kann ja nicht so einfach verschwinden. Natürlich war es nicht verschwunden – es tauchte schon am nächsten Tag wieder auf: es lehnte an der Wand der Minoritenkirche. Niemand wusste, wie es dorthin gekommen war. Das riesige Kreuz wurde auf dem Hochaltar aufgestellt, wo es auch einige Zeit lang blieb.

Danach allerdings wurde dieses Wunderkreuz im 8. Bezirk, in der Alserkirche aufgestellt. Leider blieb es nicht hier, sondern es wurde zuerst nach Niederösterreich, in die Kirche von Wimpassing und 1938 in die Wiener Stephanskirche gebracht. Als der Dom während des Zweiten Weltkrieges in Flammen aufging, verbrannte auch das Wunderkreuz.