Unterhalb der alten Stadt Tulln befindet sich am rechten Donauufer die Burg Greifenstein.
Vor vielen Jahrhunderten lebte hier der tapfere aber grausame Ritter Reinhard. Seine einzige Tochter Eveline und der Knappe Rudolf verliebten sich ineinander. Sie vertrauten sich dem Burgkaplan Emerich an, der sie heimlich in der Burgkapelle traute, obwohl er wusste, dass der jähzornige Vater diese Verbindung mit dem einfachen Knappen nicht billigen würde. Er riet ihnen daher, die Burg zu verlassen.
Ritter Reinhard kehrte spätabends von der Jagd zurück und vermisste seine Tochter. Vom alten Kaplan erfuhr er, was sich ereignet hatte. Hasserfüllt über die fehlende Obsorge ließ der Ritter den alten Emerich in das Turmverlies hinabwerfen. Dabei schwor er, ein jäher Tod solle ihn selbst hinwegraffen, sollte der Geistliche je wieder das Tageslicht erblicken.
Trauer und Gedrücktheit kehrten in der Burg ein. Der Burgherr zweifelte nun auch an seinem eigenen Verhalten und versuchte sein Leid in Trunk und Spiel zu vergessen.
Auf einer Bärenjagd entdeckten die Späher eine armselige Behausung, aus der ein jämmerliches Klagen drang. Der Ritter fand seine totenblasse und hohlwangige Tochter mit einem wimmernden Säugling im Arm. Ritter Reinhard schloss sein wiedergefundenes Kind in die Arme und bat sie und ihren Mann mit dem Kind in die Burg zurückzukehren.
Nun wollte er auch den Kaplan aus dem Gefängnis befreien. Er schritt zum Verlies, jedoch an der Mauerecke des Turmes stürzte er plötzlich, glitt aus und fiel die Treppe hinunter. Noch im Fallen hatte er mit der Hand an einen Stein gegriffen, um den Sturz zu verhindern.
Doch vergebens, er brach sich das Genick und war sofort tot. Der Geist des Ritters fand keine Ruhe. Erst wenn der Stein, an den er vor seinem Tod gegriffen, auseinandergefallen und zerbröckelt ist, wird er in den ewigen Frieden eingehen.
Seitdem legten die Nachkommen des Ritters ihre Hand in den Stein und sprachen dabei die Worte: "So wahr ich greife an den Stein." So erhielten Burg und Geschlecht den Namen Greifenstein.
Heute noch zeigt man den Stein mit der Vertiefung, die durch das oftmalige Hingreifen entstanden ist, jedem Besucher der Burg Greifenstein.